Während im Außen aufgrund der sogenannten Coronakrise ein Medien- und Meinungskrieg wütet, ist im Innern Resilienz gefragt. Darunter versteht man die Fähigkeit, Krisen zu meistern und psychisch gesund zu bleiben. Manche Menschen wirken selbst im Orkan wie ein Fels in der Brandung. Andere entwickeln Burnout, Angststörungen, Depressionen oder greifen zur Flasche.
Eine Extremsituation wie der Lockdown ist wohl für das gesamte Menschheitskollektiv ein unvorhergesehener Eingriff in das soziale und wirtschaftliche Leben mit bisher unabsehbaren Folgen. Dies schreibe ich, nachdem ich meine Existenz verloren habe und gerade selbst nicht weiß, wie ich in Zukunft meine Brötchen verdienen werde. Trotzdem fühle ich mich entspannt und von einer unsichtbaren Kraft getragen. Obwohl mir letztere auf die Wie-Frage noch keine Antwort gibt, glaube ich fest, dass am Ende alles gut wird.
Resilienz dank früherer Krisen
Ich behaupte also von mir, Resilienz zu haben, weil mich eine Ansammlung von persönlichen Krisen auf die aktuelle Lage vorbereitet hat. Reisen wir zurück zu meiner schlimmsten im Jahr 2009. Wir stecken bereits in einer fetten Wirtschaftskrise und ich strampele mich vergeblich ab, beruflich Fuß zu fassen. Zeitgleich zerbricht eine Beziehung, die mich fast in eine Ehe katapultiert hätte. Eigentlich hätten wir schon viel früher im gegenseitigen Einvernehmen die Reißleine ziehen sollen. Ein Single-Dasein ist jedoch für uns beide ein No-Go. Plötzlich stellt mich mein Partner vor die Tatsache, eine andere Frau kennengelernt zu haben, sich seiner Gefühle aber noch nicht sicher zu sein.
Ebenfalls zeitgleich werde ich in eine Fernseh-Show eingeladen und betrachte diese Chance als Sprungbrett für den ganz großen Erfolg. Zu spät realisiere ich, dass ich nur Kanonenfutter für die Quote bin. Nach der Ausstrahlung werde ich kurz zum Deppen der Nation, in meiner Familie behalte ich diese Rolle noch ein bisschen länger.
Auf meine geballten Rückschläge reagiere ich mit Selbstmordgedanken, Wut, Verbitterung, Neid, Eifersucht, Selbstmitleid und Rachegelüsten. Gegen meine „böse“ Nebenbuhlerin, mit der ich einige Monate später stundenlange Telefonate führe, breche ich sogar eine Cybermobbing-Aktion vom Zaun. Meine niedrig schwingenden Gefühle drücken mich allerdings noch tiefer mit dem Gesicht in die Scheiße. Ich will mir auch auf keinen Fall eingestehen, dass ich meine Lebensführung gründlich verbockt habe.
Im Frühling 2010 berappele ich mich langsam auf meinem Trümmerhaufen und baue mir Schritt für Schritt eine neue Existenz auf. Außerdem reflektiere ich in Ruhe mein Verhalten und ziehe daraus Schlüsse für zukünftiges Handeln.
Heute, genau zehn Jahre später, beobachte ich im Fernsehen, in Zeitungen und sozialen Medien Anfeindungen, die von meiner früheren Version stammen könnten. Corona scheint sichtbar zu machen, wie viele Abermillionen von Viren schon vor der Krise menschliche Köpfe bevölkerten. Jetzt zeigt die kollektive Infektion ihre verheerenden Symptome und Genesung bringt wohl nur die Resilienz.
So entwickelt man ein Schutzschild
Aber wie sorgt man für lieblichen Rosenduft, wenn die Kacke rund um den Globus am Dampfen ist? Die Basis ist der Glaube, in den widrigen Umständen noch etwas Gutes zu finden. Dazu gehört, die persönliche Situation anzunehmen statt zu jammern und sie zu bekämpfen. Das bedeutet für mich: Ich akzeptiere im Hier und Jetzt, dass Aufträge und neue Jobs ausbleiben. Stattdessen habe ich Zeit, an meinem Mindset zu arbeiten, Artikel für meine Blogs zu schreiben, Videos zu produzieren und in der Natur Kraft zu tanken. Freude erlebe ich ebenfalls, wenn ich Musik mache und zeichne. Mein Gehirn den lieben langen Tag mit Corona-News zu füttern, zehrt dagegen an meinem Energiehaushalt und richtet meinen Fokus auf Negatives. Zur Informationsbeschaffung habe ich mir nun ein bestimmtes Zeitfenster reserviert.
Um meine Resilienz zu wahren, lasse ich mich auch nur noch auf ausgewählte Facebook-Diskussionen ein und vermeide Streitereien mit Personen, die mich für meine Teilnahme an Grundrechts-Demonstrationen beleidigen. Niemand hat die komplette Wahrheit mit Löffeln gefressen, aber jeder bildet sich eine Meinung.
Resilienz-Studie während der Coronakrise
Im Netz kursiert eine Studie zum Thema Resilienz während der Coronakrise. Für das europäische Forschungsprojekt DynaMORE untersuchen Wissenschaftler derzeit die psychologischen Reaktionen auf die vermeintliche Covid-19-Pandemie. Der Mainzer Neurowissenschaftler Prof. Dr. Raffael Kalisch und sein Team wollen im Rahmen einer internationalen Befragung herausfinden, wie Personen belastende Lebensumstände und Stress bewältigen und welche Faktoren sie vor psychischen Störungen schützen. Diese Untersuchungen umfassen mehrere Fragebögen und sind auf einen Zeitraum von sechs Wochen angelegt. (as)