Fernsehen im Internet: Programm nach Wahl!

Meine frühe Kindheit passierte in einer Zeit, in der es nur drei westdeutsche Fernsehprogramme gab: ARD, ZDF und in unserer Region das dritte Programm des Norddeutschen Rundfunks. Weil wir nicht allzu weit von der innerdeutschen Grenze entfernt wohnten, empfingen wir auch DDR1 und DDR2, im Sprachgebrauch meiner Familie das „vierte“ und „fünfte“ Programm. An Fernsehen im Internet dachte niemand – das wäre wohl wie eine Utopie aus einem Science-Fiction-Film gewesen.

Kindheit ohne Fernsehen im Internet

Als kleines Mädchen habe ich wirklich gerne ferngesehen. Es liefen Sendungen wie „Spaß am Dienstag“, das Kinder-Ferienprogramm und Weihnachts-Sechsteiler wie „Nesthäkchen“, „Anna“ oder das Island-Abenteuer „Nonni und Manni“. All das liebte ich und samstags durfte ich sogar länger mit meinen Eltern und Großeltern vor der Glotze sitzen. Die großen Unterhaltungs-Shows, man denke an „Wetten, dass..?“, „Flitterabend“ oder die „Rudi Carrell Show“, waren absolute Quotenrenner. Darüber plauderte man am Sonntag mit den Nachbarn und am Montag mit den anderen Kids im Kindergarten und in der Schule.

Alter Fernseher
Alter Fernseher, Foto: Free-Photos / Pixabay

Als RTL und Co. die heile TV-Welt zerstörten

Gewalt kam höchstens im Tatort vor, doch auch da wurde sie nur angedeutet. Gesangstalenten begegnete Rudi Carrell bei „Lass dich überraschen“ wohlwollend. Im „Talentschuppen“ wurden Möchtegern-Künstler gleich hinter den Kulissen – jenseits der Kameras – aussortiert. Fernsehtechnisch lebten wir in einer heilen Welt wie in Professor Brinkmanns Schwarzwaldklinik.

Dann verseuchten RTL und Co. die TV-Landschaft und das wirkt im Nachhinein wie ein schleichender Prozess. Als mein Vater auf dem Dach eine Sat-Antenne montierte, fühlte sich das an wie Geburtstag und Weihnachten an einem Tag. Ich war begeistert, weil es plötzlich noch mehr Zeichentrick-Sendungen, Rate-Shows und Film-Auswahl gab – mit nur einer Werbeunterbrechung, wohl gemerkt! Die „Mini Playback Show“ gehörte zu meinen Favoriten, wenige Jahre später waren es „RTL Samstag Nacht“ und „Die Wochenshow“.

Wenn meine Eltern am Wochenende ausgingen, schaltete ich heimlich 70er-Jahre-Softpornos ein. Kamen sie zurück, lachten sie mich für den Sexualkunde-Unterricht vor der Glotze aus und dann musste ich ins Bett. Und mal ehrlich, welche pubertierende Göre will denn mit Mama und Papa Schmuddel-Filmchen gucken?

Einen Cut in der immer weniger heilen Fernsehwelt machte wohl im Jahr 2000 die allererste Staffel von „Big Brother“. Damit war das Reality- und Trash-TV in Deutschland geboren. Zu dem Zeitpunkt für mich unvorstellbar, dass Menschen rund um die Uhr von Kameras überwacht werden und sich das freiwillig antun!

Von Trash-TV und Gladiatoren-Kämpfen

Ich ahnte noch nicht, dass alles viel schlimmer werden würde. Dass bei „Love Island“ mediengeile Beauty-Doc-Kunstwerke vor der Kamera übereinander herfallen. Dass sich bei „Der Bachelor“ 20 eben solche Frauen um einen Typen streiten. Dass Z-Promis im australischen Fake-Dschungel Kakerlaken und Känguru-Hoden fressen und sich im sogenannten Sommerhaus der Stars gegenseitig beleidigen. Dass DSDS und „Das Supertalent“ hauptsächlich der Volksbelustigung auf Kosten anderer dienen. Sat.1 hat inzwischen auch das Eheversprechen entwertet, indem Singles auf den ersten Blick miteinander verheiratet werden.

Kennen wir das nicht schon von irgendwoher? In der Antike fanden blutige Gladiatorenkämpfe statt, im Mittelalter strömten Menschen zu Hinrichtungen und jubelten dem Henker zu, wenn der seinen Job erledigt hatte. RTL und seine Konkurrenten haben es geschafft, dass eine des Denkens überdrüssige Masse vor dem Bildschirm in diese weit entfernte Vergangenheit reist.

Fernsehen im Internet
Fernsehen im Internet, Foto: ADMC / Pixabay

Fernsehen im Internet ist Freiheit

In meinem Umfeld habe ich es schon oft betont: Gewisse TV-Anstalten verdienen eine fette Klage und Sendeverbot bis in alle Ewigkeit. Da ich aber noch nicht Königin von Deutschland bin, nutze ich die Macht der Entscheidung. Meinen Kabel-Anschluss habe ich schon vor Jahren abgemeldet. Bei mir läuft nur noch Fernsehen im Internet. Seit einigen Monaten entdecke ich ständig neue Filme bei Amazon Prime. Wenn mir ein Streifen missfällt, beende ich den Stream und suche mir einfach einen anderen.

Auf YouTube schaue ich Reise-Vlogs, Persönlichkeitsentwicklungs-Videos, Musik-Clips, Comedy und Arte-Dokumentationen. Streaming gibt mir die Freiheit, mir die Rosinen herauszupicken, und zwar wann und wo ich will. Seit ich auf Fernsehen im Internet umgesattelt habe, suche ich mir mein Programm bewusster und achtsamer aus. Und Du? Schaltest Du noch Mainstream-TV ein oder streamst Du auch? Schreib mir gerne einen Kommentar. (as)

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