Nach einem langen Hin und Her, vielen Aufs und Abs trenne ich mich Ende November 2013 von meinem Partner. Diesem Cut folgen so manche Techtelmechtel und Beziehungsversuche, die alle ziemlich schnell scheitern. Ich mutiere zum frustrierten, verbitterten Dauersingle. In den ersten Jahren nach der Trennung suche ich die Schuld bei den Objekten meiner Begierde oder in widrigen Umständen. Nicht ein einziges Mal kommt mir in den Sinn, dass man vor einer neuen Partnerschaft alte Beziehungen loslassen sollte.
Schließlich wähne ich mich in dem Glauben, mich seit dem von mir selbst gezogenen Schlussstrich von meinem Ex befreit zu haben. Über die Jahre hinweg schreibt er mir allerdings weiter Nachrichten. Manchmal liegen Wochen und sogar Monate zwischen den Kontaktversuchen, die ich entweder ignoriere oder mit Belanglosigkeiten beantworte. Hin und wieder mache ich ihm auch klar, dass ein Neuanfang illusorisch sei.
Alte Beziehungen loslassen? Leicht gesagt!
Anfang Juni 2019, als ich mich nach vielen Pleiten von der Dating-Szene verabschiedet habe, tritt er auch physisch wieder in mein Leben. Mein Verflossener fragt mich, ob ich mit ihm die Mitternachtssonne in seiner finnischen Heimat erleben möchte. Ich lasse es an mir abprallen, doch insgeheim denke ich darüber nach. Weniger wegen meines Ex-Freundes, sondern weil mich das ewige Licht des Sommers in Finnland in seinen Bann zieht.
Zu unserer beider Überraschung realisiere ich die Reise recht spontan. Wir finden auch prompt eine freundschaftliche Basis und bei all unseren harmonischen Ausflügen in die Natur kreisen meine Gedanken sogar um das Thema Neustart. Darunter mischt sich jedoch Enttäuschung, weil die meisten Trennungsgründe nach wie vor existieren. Spätestens im Oktober 2019 wird mir klar, dass ein Beziehungs-Comeback nur eine Wiederholung der uralten Geschichte auslösen würde. Ich habe das Einsehen und merke gleichzeitig, dass es mir für andere potentielle Partner an Offenheit mangelt.
Wenn das Leben zum Loslassen auffordert
Das Leben ist aber nett zu mir und präsentiert mir mein Problem, nicht losgelassen zu haben, zu Silvester auf einem Silbertablett. Mein Ex überrascht mich mit einem Kurztrip zu einer Saunahütte in einem finnischen Wald. Dort angekommen, macht sich nicht nur die Freude von früher in mir breit, ich habe auch ein Déjà-vu. Fast acht Jahre zuvor verbrachten wir die wohl romantischsten Stunden meines Lebens in einem Mökki (zu Deutsch: Hütte) mit Holzsauna. Die Erinnerung daran erfüllte mich jahrelang mit Wehmut, mein Glück verloren zu haben!
Endlich habe ich es wieder, glaube ich am ersten Abend. Schon am zweiten Tag funkt eine bestimmte Person zwischen unsere Zweisamkeit: seine Mutter, die sich meisterhaft in all seine Beziehungen gedrängt hat. Die beiden sind in einem perfiden Machtspiel gegenseitiger Abhängigkeit gefangen.
Es kommt also schlechte Stimmung auf. In der Silvesternacht beschimpft sie ihren Sohn am Telefon mit übelsten Kraftausdrücken, weil er nicht bei ihr ist. An Neujahr eilt er zu ihr und umgarnt sie wie ein unterwürfiger Diener. Ich beobachte all das wie ein Theaterstück, das kurz vor dem ersten Hütten-Trip 2011 begonnen hat. Meine damalige Schwiegermutter in spe schreit das ganze Mietshaus zusammen, als mein Liebster mich ihr vorstellen will. Zutritt zu ihrer Wohnung bleibt mir verwehrt, mein jüngeres Ich ist geschockt und tief betroffen.
Die Vergangenheit loslassen
Heute fühle ich mich teilnahmslos und eher wie die Zuschauerin einer Familientragödie vor dem Fernseher. Mein Ex und seine Mama spielen dieses Spiel seit seiner Geburt. Niemand hat ihnen je einen Anlass gegeben, ihre Spielregeln zu ändern, weder ich noch irgendeine andere Person. Er dreht sich im Kreis und ich mich mit ihm, sofern ich mich weiter in seinem Mutter-Sohn-Thema verheddere.
Als die Saunahütte auf der Bühne meines Lebens erneut auftaucht, wird mir klar, wie viele Jahre ich in ihr festgesteckt habe. Hätte ich womöglich einen Partner, wenn mir bewusst gewesen wäre, dass ich erst einmal alte Beziehungen loslassen muss? Nun, darüber lässt sich wild spekulieren. Ich beende es mit einer Aussage des spirituellen Lehrers Kurt Tepperwein: „Die Vergangenheit ist vergangen. Die kommt ohnehin nicht wieder.“ (as)